KÄLTE - Maßnahmen bei arbeitsbedingter Kälte-Einwirkung
KÄLTE
aus aktuellem Anlass (Energiespar-Verordnung mit Absenkung der Mindestentemperatur in Arbeitsstätten) und der anstehenden kalten Jahreszeit finden sich hier Hinweise zum Umgang mit dem Thema "Kälte am Arbeitsplatz".
Nach der Definition der Physik und der Thermodynamik gibt es keine Kälte, sondern nur Wärme. Das Verständnis von „Kälte“ als Gegenteil/Abwesenheit von Wärme hat dennoch Eingang in die technische Fachsprache gefunden. Auch in der Fachsprache wird der Begriff aber zumeist unscharf und uneinheitlich verwendet; es kann damit sowohl die übertragene Wärmemenge oder der Wärmestrom als auch die Kühltemperatur oder die Temperaturdifferenz zur Umgebung gemeint sein (WIKIPEDIA).
Wo Kälte in der Arbeitsumgebung herrscht, existiert folglich auch der Verlust von Wärme des arbeitenden Menschen. Das kann wohltuend sein, wenn der Mensch Wärme angeben muß, um seine Körper(Kern)temperatur stabil halten zu können, oder unangenehm, wenn der Mensch zum Erhalt seiner Körper(Kern)temperatur Wärmeenergie erzeugen muß. Gefährlich bis lebensbedrohlich wird es für ihn, wenn die innere Wärmeproduktion die Körper(Kern)temperatur nicht stabil halten kann
Grenzwerte KKT Körperkerntemperatur |
Folgen |
44-45°C |
100% Mortalität |
42,5°C |
50% Mortalität |
ab 41°C |
Hitzschlag, beginnende Eiweißdenaturierung |
bis 40°C |
möglich bei schwerer körperlicher Belastung |
ab 38°C |
Fieber; zunehmendes Kreislaufversagen, Hitzekollaps |
~ 37°C |
normale KKT zirkadiane Änderung ±0,5°C |
< 35°C |
Hypothermie, Bewusstseinsstörung |
<33°C |
Stoffwechselreduktion |
<30°C |
endet Kältezittern … Poikolithermie Ventrikuläre Extrasystolien jederzeit möglich |
<27°C |
Bewegungsunfähigkeit |
<25° |
Tod durch unzureichende Atmung |
Unabhängig davon kann lokal einwirkende Kälte lokal begrenzte Gewebschäden beim arbeitenden Menschen erzeugen (Erfrierung).
Kälte als Gefahr für Gesundheit und Leben eines arbeitenden Menschen bedingt ihre Beachtung in der Gefährdungsbeurteilung des Arbeitgebers.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin BAuA verweist im Zusammenhang mit Gefährdungen durch Kälte auf folgende
Vorschriften, Regelwerke, Literatur, Gesetze, Verordnungen
www.gesetze-im-internet.de; https://eur-lex.europa.eu/homepage.html
-
Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
-
Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)
-
PSA-Benutzungsverordnung (PSA-BV)
Technische Regelwerke zu den Arbeitsschutzverordnungen
ASR A3.5: Raumtemperatur
ASR A3.6: Lüftung
Vorschriften der Unfallversicherungsträger
www.dguv.de/de/praevention/vorschriften_regeln
DGUV Vorschrift 1: Grundsätze der Prävention
DGUV - FBVW-504 „Erläuterungen zur Umsetzung der Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung (EnSikuMaV) an Innenraumarbeitsplätzen“ https://publikationen.dguv.de/regelwerk/publikationen-nach-fachbereich/verwaltung/innenraumklima/4609/fbvw-504-erlaeuterungen-zur-umsetzung-der-kurzfristenergieversorgungssicherungsmassnahmenverordnung
Weitere Regeln der Technik
DIN EN 342: Schutzkleidung - Kleidungssysteme und Kleidungsstücke zum Schutz gegen Kälte
DIN 33403-5: Klima am Arbeitsplatz und in der Arbeitsumgebung: Ergonomische Gestaltung von Kältearbeitsplätzen
DIN EN 340: Schutzkleidung: Allgemeine Anforderungen
DIN EN ISO 7726: Umgebungsklima - Instrumente zur Messung physikalischer Größen
DIN EN ISO 9886: Ergonomie – Ermittlung der thermischen Beanspruchung durch physiologische Messungen
DIN SPEC 33428 (ehemals DIN-Fachbericht 128): Klima am Arbeitsplatz und in der Arbeitsumgebung - Grundlagen zur Klimaermittlung
DIN EN ISO 9920: Ergonomie der thermischen Umgebung - Abschätzung der Wärmeisolation und des Verdunstungswiderstandes einer Bekleidungskombination
DIN EN ISO 11079: Ergonomie der thermischen Umgebung - Bestimmung und Interpretation der Kältebelastung bei Verwendung der erforderlichen Isolation der Bekleidung (IREQ) und lokalen Kühlwirkungen
DIN EN ISO 15743: Ergonomie der thermischen Umgebung - Arbeitsplätze in der Kälte - Risikobewertung und Management
Literatur
- [1] BUX, K.: Klima am Arbeitsplatz - Stand arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse; Bedarfsanalyse für weitere Forschungen. Dortmund, Dresden: BAuA 2006 (Forschung Projekt, F 1987)
- [2] BUX, K.; KAMPMANN, B.: B III-1 Raumklima. In LETZEL, S.; NOWAK, D. (Hrsg.), Handbuch der Arbeitsmedizin - Arbeitsphysiologie, Arbeitspsychologie, Klinische Arbeitsmedizin, Gesundheitsförderung und Prävention, Heidelberg: ecomed MEDIZIN
Arbeitsschutzmaßnahmen und Wirksamkeitskontrolle
– findet sich in Bezug auf Kälte-Einwirkung
Folgendes:
Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf Arbeitsplätze in technisch gekühlten Räumen, wie z. B. Kühlräume, Tiefkühllager oder Frischeräume in der Lebensmittelindustrie. Arbeitsplätze im Freien müssen gesondert betrachtet werden, da hier zusätzliche Einflüsse hinzukommen, insbesondere durch die witterungsbedingte Belastung wie Wind und Niederschläge. Praktische Hinweise für Arbeitsplätze im Freien bei Kälte sind in der Norm DIN EN ISO 15743 "Ergonomie der thermischen Umgebung - Arbeitsplätze in der Kälte - Risikobewertung und Management" zu finden, z. B. bezüglich Arbeitsplanung, technischer Schutzmaßnahmen, Schutzkleidung, Schulung und beruflicher Gesundheitsfürsorge.
Maßnahmen zur Reduzierung der Kältebelastung
können sein:
-
Kältebelastung reduzieren
Die Lufttemperatur ist die grundlegende und wichtigste Belastungsgröße und sollte nicht niedriger als technologisch erforderlich sein. -
Zugluft vermeiden
Die Luftgeschwindigkeit ist möglichst gering zu halten. DIN 33403-5 empfiehlt für vorwiegend sitzende oder stehende Tätigkeiten eine mittlere Luftgeschwindigkeit von < 0,20 ± 0,10 m/s. -
Wärmestrahler einsetzen
Arbeitsschutzmaßnahmen bei häufig wechselnden Klimabelastungen
-
häufig wechselnde Klimabelastung zwischen den Kältebereichen sowie zwischen Kältebereich und Außenklima einschränken, z. B. durch
- überbaute Rampen mit möglichst klimadichtem Abschluss an Lastkraftwagen
- beheizbare Fahrerkabinen (Gabelstapler)
- Einrichtung von Zwischenlagerräumen
- Arbeitsteilung zwischen den Klimabereichen
-
persönliche Schutzausrüstung (PSA) verwenden
-
Die Bekleidung ist an die jeweiligen Arbeits- und Klimabedingungen anzupassen, eventuell ist beheizbare Kälteschutzkleidung zur Verfügung zu stellen,
-
siehe Anlage 3: Beispiele für Isolationswerte verschiedener Bekleidungen (trocken).
-
Aufwärmzeiten beachten nach DIN 33403-5 empfohlene Kälteexpositions- und Aufwärmzeiten möglichst einhalten (siehe Tabelle 7.1-4).
Tabelle 7.1-4 Kälteexpositions- und Aufwärmzeiten nach DIN 33403-5 |
||||
Kältebereich |
Lufttemperatur ta (°C) |
Maximale, ununterbrochene Kälteexpositionszeit |
Empfohlene Aufwärmzeit |
Empfohlene Aufwärmzeit (gerundete Werte) |
I |
von +15 bis +10 |
150 |
5 |
10 |
II |
unter +10 bis - 5 |
150 |
5 |
10 |
III |
unter -5 bis -18 |
90 |
20 |
15 |
IV |
unter -18 bis -30 |
90 |
30 |
30 |
V |
unter -30 |
60 |
100 |
60 |
-
Bedingungen in Pausenräumen
- Aufwärm- und Umkleideräume einrichten (Anhang 4.1 und 4.2 ArbStättV)
- Raumtemperatur muss mindestens +21 °C betragen, Räume sollen trocken und zugluftfrei sein
- eventuell Einrichtungen zur Wiedererwärmung der Hände und Füße vorsehen (Warmluftgeräte, Wärmeplatten)
-
Kleidung trocknen/Trockenschränke vorsehen
- Möglichkeit schaffen, Kälteschutzkleidung abzulegen und zu trocknen
- für die Arbeit in den Kältebereichen III und IV sollten Einrichtungen zur Trocknung (Trockenschränke) und Erwärmung der Kleidung, Stiefel und Handschuhe vorsehen werden.
-
Kontaktkälte
Kontaktkälte ist möglichst zu vermeiden (siehe "Kalte Medien")
-
arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen
Beschäftigte, die bei Temperaturen unter -25 °C arbeiten, sind gemäß Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen zu unterziehen (Pflichtvorsorge). Derzeit gibt es kein dies konkretisierendes Dokument, da die BGI 504-21 "Auswahlkriterien für die spezielle arbeitsmedizinische Vorsorge nach dem Berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 21 Kältearbeiten" zurückgezogen wurde.
Die Maßnahmen zur Abwehr bzw. Abmilderung der Gefährdung durch Kälte orientieren sich an dem STOP Prinzip:
S – Substitution T – Technische Maßnahmen O - Organisatorische Maßnahmen P – Persönliche Schutzausrüstung
SUBSTITUTION
Ersatz der Arbeit in Kälte durch eine andere Arbeit, in der Kälte-Einfluß fehlt.
TECHNISCHE MASSNAHMEN
Schutz des Arbeitsbereiches vor Kälteeinwirkung durch bauliche Maßnahmen wie Schutzgehäuse um die Arbeitsstätte.
ORGANISATORISCHE MASSNAHMEN
Verkürzung der Arbeitszeit in Kälte z.B. durch Pausen in Wärme (s.o. Tabelle 7.1.4.). Verringerung der Auskühlung infolge Immobilisierung (z.B. Büroarbeit) durch Mobilisierung.
PERSÖNLICHE SCHUTZAUSRÜSTUNG
In Ergänzung oder als schlechtere Alternative zu den vorangehenden Maßnahmen (STO) kann der Wärmeverlust des Körpers durch Schutzkleidung verringert werden. Da die thermische Situation des Körpers vom Ort am bzw. im Körper individuell unterschiedlich ist und sich auch im Zeitverlauf ändert, sie zudem variablen inneren und äußeren Einflüssen ausgesetzt ist (> Körpertemperatur), sind Schutzkleidungen, die sich diesen Veränderungen anpassen können (>Zwiebelschalenprinzip) von Vorteil gegenüber nicht veränderlichen Maßnahmen.
Die Anforderungen an Kälteschutzkleidung sind in der DIN EN 342: „Schutzkleidung - Kleidungssysteme und Kleidungsstücke zum Schutz gegen Kälte“ bzw. der DIN EN ISO 15743 "Ergonomie der thermischen Umgebung - Arbeitsplätze in der Kälte - Risikobewertung und Management" geregelt.
ERHÖHTE GEFÄHRDUNG bei
Erkrankungen der peripheren Gefäße / der Mikrozirkulation bedingen auch eine erhöhte Gefährdung durch Kälteeinwirkung
zahlreiche Erkrankungen sind mit einer erhöhten Kälteempfindlichkeit verbunden
Die Erkrankungen sollten an sich so (gut) behandelt werden, daß die Folgen (Kälte bedingte Mikrozirkulationsstörung / Kältempfindlichkeit) klinisch nicht zum Tragen kommen. Für den Fall, daß sie dekompensiert sind, müssen Arbeitgeber*innen i.R. der individuellen Gefährdungsbeurteilung STO- Maßnahmen festlegen, die (Kälteschutz-) PSA ist da nur als letzte Maßnahme empfehlenswert (s.o.).
Weitergehende Informationen und Quellen
https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/energiesparmassnahmen-2078224 - Bundesregierung Energiesparmaßnahmen
https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/Energie/kurzfristenergieversorgungssicherungsma%C3%9Fnahmenverordnung.html - Verordnung zur Änderung der Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung
https://de.wikipedia.org/wiki/Kälte - Begriff Kälte
https://de.wikipedia.org/wiki/Kälte_(Technik) – Begriff Kälte / Technik
https://de.wikipedia.org/wiki/Wärme - Begriff Wärme
https://de.wikipedia.org/wiki/Thermodynamik - Begriff Thermodynamik
https://gallenkemper.de/neuigkeiten/neuigkeiten-2017-05-sommer-thema-arbeit-in-waerme-und-hitze-bedeutung-des-kreislaufes.html - Bedeutung von Wärme und Hitze für den Menschen
https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/verletzungen,-vergiftungen/verletzungen-durch-kälte/verletzungen-durch-kälte-im-überblick - Folgen von Kälte für den Menschen
https://gallenkemper.de/neuigkeiten/neuigkeiten-2022-06-neues-handbuch-gefaehrdungsbeurteilung-der-bundesanstalt-fuer-arbeitsschutz-und-arbeitsmedizin.html - Gefährdungsbeurteilung
https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Gefaehrdungsbeurteilung/Expertenwissen/Thermische-Gefaehrdungen/Kalte-Medien/Autorenbeitraege/vorschriften.html - BauA – Regelwerk zu Kälte-Einwirkungen
https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Gefaehrdungsbeurteilung/Expertenwissen/Arbeitsumgebungsbedingungen/Klima/Klima_node.html - BAuA - Klima-node inkl Kälte-Thema
https://de.wikipedia.org/wiki/Körpertemperatur - Körpertemperatur
https://www.arbeitsinspektion.gv.at/Uebergreifendes/Persoenliche_Schutzausruestung/Kleidung_zum_Schutz_gegen_Kaelte.html - Anforderungen an Kälteschutzkleidung in Abhängigkeit von der Arbeitssituation
https://de.wikipedia.org/wiki/Zwiebelschalenprinzip_(Kleidung) - Zwiebelschalenprinzip
UPDATEs
Dt. Ärzteblatt - Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Mehr Todesfälle an kalten als an heißen Tagen. Freitag, 16. Dezember 2022 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/139576/Herz-Kreislauf-Erkrankungen-Mehr-Todesfaelle-an-kalten-als-an-heissen-Tagen