Skip to main content

Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Biostoffen / Infektionsgefährdung

Seite 1 von 2

Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Biostoffen / Infektionsgefährdung

Gemäß Arbeitsschutzgesetz (https://www.gesetze-im-internet.de/arbschg/) ist die/der Arbeitgeber*In verpflichtet, Gefährdungen in einer „Gefährdungsbeurteilung“ zu dokumentieren, Maßnahmen zur Beseitigung bzw. Minimierung festzulegen, Verantwortliche zu bestimmen und anzugeben, wann mit welchen Mitteln der Erfolg kontrolliert werden soll:

§ 3 Grundpflichten des Arbeitgebers

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.

§4 Allgemeine Grundsätze

Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:

      1. Die Arbeit ist so zu gestalten, daß eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;
      2. Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen;
      3. bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen;
      4. Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluß der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen;
      5. individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen;
      6. spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen sind zu berücksichtigen;
      7. den Beschäftigten sind geeignete Anweisungen zu erteilen;
      8. mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende Regelungen sind nur zulässig, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend geboten ist.

§ 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen

(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.

(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.

(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

      1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
      2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
      3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
      4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
      5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
      6. psychische Belastungen bei der Arbeit.

§ 6 Dokumentation

(1) Der Arbeitgeber muß über die je nach Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten erforderlichen Unterlagen verfügen, aus denen das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die von ihm festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes und das Ergebnis ihrer Überprüfung ersichtlich sind. Bei gleichartiger Gefährdungssituation ist es ausreichend, wenn die Unterlagen zusammengefaßte Angaben enthalten.“

Die Maßnahmen werden nach dem sogenannten STOP Prinzip festgelegt

(https://vorschriften.bgn-branchenwissen.de/daten/tr/trgs500/5.htm | https://www.baua.de/DE/Angebote/Veranstaltungen/Dokumentationen/Gefahrstoffe/pdf/Vortrag-A-plus-A-2019-01.pdf?__blob=publicationFile&v=2   :

S = Substitution, soweit möglich - vorrangige Maßnahme

T = Technische Maßnahmen

O = Organisatorische Maßnahmen

P = Persönliche Maßnahmen (z.B. Schutzausrüstung) - nachrangig, da Fehler anfällig

Tätigkeiten mit Biostoffen stellen für die/den Arbeitnehmer*in ein Infektionsrisiko dar und müssen folglich in der Gefährdungsbeurteilung nach den o.g. Grundsätzen erfasst, analysiert und dokumentiert werden. Maßnahmen müssen festgelegt und dokumentiert werden, eine verantwortliche Person ebenso wie ein Kontrolltermin bzgl. der Effektivität der Maßnahmen inkl. der Kontrollparameter bestimmt werden.

Gemäß §4 Biostoff-Verordnung (https://www.gesetze-im-internet.de/biostoffv_2013/ )  und der Technischen Regel für Biologische Arbeitsstoffe (https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRBA/TRBA.html siehe hier: TRBA- 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“ (https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRBA/TRBA-250.html) hat der Arbeitgeber diese Gefährdungsbeurteilung vor Beginn der Tätigkeiten mit Biostoffen durchzuführen und die Ergebnisse zu dokumentieren.

Gemäß Biostoff-VO § 5 und TRBA 250, Satz 3.4.1. hat die/der Arbeitgeber*In bei Tätigkeiten in Laboratorien, in der Versuchstierhaltung, in der Biotechnologie sowie in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes zu ermitteln, ob gezielte oder nicht gezielte Tätigkeiten ausgeübt werden. Er hat diese Tätigkeiten hinsichtlich ihrer Infektionsgefährdung einer Schutzstufe zuzuordnen.

Schutzstufen Zuordnung

Wenn der Biostoff bekannt ist und der Kontakt gezielt erfolgt, entspricht die erforderliche Schutzstufe der Risikogruppe des Stoffes.

Bei nicht gezielten Tätigkeiten ist für die Einstufung die Feststellung maßgeblich, welche unterschiedlichen Biostoffe in welchem Umfang und in welcher Form bei der Tätigkeit auftreten können. Die Biostoffe sind hinsichtlich ihres Gefährdungspotenzials einzeln zu beurteilen: Berücksichtigt werden dabei Einstufung, Art der Tätigkeit, Übertragungswege und die Expositionssituation.

Werden mehrere Biostoffe bei der nicht gezielten Tätigkeit verwendet, so richtet sich die Schutzstufe nach der Risikogruppe des Stoffes, der im Einzelfall für den Schutz des Beschäftigten relevant ist. Dieser muss nicht unbedingt das höchste Gefährdungspotenzial besitzen.

Ein Beispiel: Ein Biostoff der Risikogruppe 3 kommt bei der betrachteten nicht gezielten Tätigkeit selten vor und die Exposition ist sehr gering. Ein Biostoff der Risikogruppe 2 wird jedoch in großem Umfang erwartet. Er bestimmt damit den Grad der Infektionsgefährdung maßgeblich. Die Tätigkeit kann somit ggf. der Schutzstufe 2 zugeordnet werden (aus: https://sicheresarbeitenimlabor.de/fachinformation-responsiv/kapc/bio_gezielte_nicht_gezielte_taetigkeiten.htm).

weitere Informationen auf bgw-online:   https://www.bgw-online.de/service/search/bgw-online-de/20932?query=schutzstufe 

Eine Beschreibung der Risikogruppe  zu definierten Keimen inkl. der erforderlichen Schutzmaßnahmen im Arbeits- und Gesundheitsschutz in Abhängigkeit von der Art der Tätigkeit (gezielt bzw. ungezielt) findet sich in der GESTIS-Biostoffdatenbank (https://biostoffe.dguv.de/)

hier kann auch die Suche gezielt nach der Branche ausgeführt oder eine Volltextsuche veranlasst werden!

bzw. gemäß TRBA 250 Punkt 3.2.2. in den TRBA 460 für Pilze, 462 für Viren, 464 für Parasiten und 466 für Bakterien (https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRBA/TRBA.html). Maßgeblich sind hier für die Einstufung die infektiösen Eigenschaften des biologischen Arbeitsstoffes; sensibilisierende und toxische Wirkungen beeinflussen die Zuordnung zu einer Risikogruppe nicht und sind hier gesondert ausgewiesen.

Eine "Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung und für die Unterrichtung der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen" findet sich in der TRBA 400 (https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRBA/TRBA-400.html)

Ein Muster-Formular der BGW für eine Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Biostoffen findet sich unter https://www.bgw-online.de/resource/blob/9086/19ad2158ae3a9a4f920e6e9ac3a61b78/GFB-Biostoffe_gezielte-und-nicht-gezielte-Taetigkeit_mit-Schutzstufenzuordnung-2022-11.docx

Weitergehende Informationen zu grundlegenden Maßnahmen bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen finden sich in der TRBA 500 (https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRBA/TRBA-500.html).

Erläuterungen  Biologische Schutzstufe – Wikipedia   =  https://de.wikipedia.org/wiki/Biologische_Schutzstufe  

TRBA 450 Einstufungskriterien für Biologische Arbeitsstoffe TRBA 450 https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRBA/TRBA-450.html

Schutzmaßnahmen in Laboratorien inkl Schutzstufen in TRBA 100 https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRBA/TRBA-100.html

Für die Erstellung der TRBA zuständig ist der Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe ABAS. Er berät das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in allen Fragen des Arbeitsschutzes zu biologischen Arbeitsstoffen (weitere Informationen und Veröffentlichungen des ABAS unter https://www.baua.de/DE/Aufgaben/Geschaeftsfuehrung-von-Ausschuessen/ABAS/ABAS.html).

Weitergehende Informationen zu Infektionen und Schutzmaßnahmen finden sich ebenfalls unter den Seiten des RKI https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/InfAZ_marginal_node.html.

Regelhaft gehört gemäß Arbeitsmedizinischer Vorsorge Verordnung ArbMedVV (https://www.gesetze-im-internet.de/arbmedvv/ - Anhang: Teil 2 Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen einschließlich gentechnischen Arbeiten mit humanpathogenen Organismen) eine arbeitsmedizinische Beratung (ehemaliger Grundsatz 42 Tätigkeiten mit Infektionsgefahr) zu den Maßnahmen, die die/der Arbeitgeber*in anzubieten (Angebots-Vorsorge) bzw. zu veranlassen (Pflicht-Vorsorge) hat und die die/der betroffene Arbeitnehmer*In annehmen kann bzw. an der sie/er teilzunehmen hat: Vor/Zu Beginn der Tätigkeit, erste nachfolgende Beratung nach spätestens 1 Jahr, weitergehende Beratungen nach spätestens 3 Jahren (AMR Nr. 2.1 Fristen für die Veranlassung / das Angebot arbeitsmedizinischer Vorsorge https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/AMR/AMR-2-1.html),

siehe auch DGUV Information 207-019 - Gesundheitsdienst https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/885 

 

Beispiele
Seite